Neue Historie

Crimmitschavia – Die erste Crimmitschauer Brunnenfigur

(Quelle: Vortrag von Philipp Kardel, Leiter der Tuchfabrik Gebr. Pfau, vom 2. Oktober 2024)

Vom 8. September bis zum 29. Dezember 2024 zeigte die Tuchfabrik Gebr. Pfau im Foyer eine kleine Ausstellung, in deren Mittelpunkt die Nachbildung der ersten Crimmitschauer Brunnenfigur, angefertigt von Andreas Tödtloff, stand. Ergänzend dazu hielt der Leiter der Tuchfabrik, Philipp Kardel, am 2. Oktober einen Vortrag zur Geschichte der Brunnenfigur. Rund ein Dutzend Heimatfreunde waren der Einladung gefolgt. Die nachfolgenden Ausführungen geben eine Zusammenfassung des Vortrages wieder.

Schon lange vor der Aufstellung der Figur gab es Brunnen in Crimmitschau, sie dienten der Wasserversorgung der Bürger, denn Wasserleitungen, wie wir sie heute als Selbstverständlich kennen, gab es nicht. Einer stand auf dem Taubenmarkt und diente vornehmlich als Pferdetränke, einer in der Badergasse, Ecke Johannisgasse, und einer auf dem Markt. Gespeist wurde dieser über Rohrleitungen aus mehreren Teichen im Westen der Stadt, von denen heute als einziger noch der Ziegelgutsteich übrig geblieben ist. Die Wasserzufuhr war permanent, das leichte Gefälle zur Stadtmitte hin sorgte für einen natürlichen Wasserdruck. Der Brunnen hatte vier Überläufe, über die das Wasser anfangs direkt auf den Markt und von da die Badergasse entlang in die Pleiße abfloss, später erfolgte der Ablauf unterirdisch. Anfangs waren die Brunnen aus Holz, ab den 1830-er Jahren dann aus Stein. Im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert und dem damit verbundenen Reichtum der Stadt sowie dem gestiegenen Selbstbewusstsein der Bürger entstand der Anspruch nach Repräsentation. Der Umbau des Rathauses und der Häuser um den Markt herum fällt auch in diese Zeit. Und so war es logisch, dass auch der schlichte Brunnen einer Verschönerung anheim fiel. Mit Hilfe von „Fördermitteln“ aus dem Staatlichen Kunstfonds des Königreiches Sachsen fand in den Jahren 1875/76 die Umgestaltung des Marktbrunnens statt. Beauftragt damit wurden Dresdener Künstler bzw. Unternehmen: Die Brunnenschale entwarf Hermann Nicolai, die Figur Robert Henze und der Guss aus über 200 kg Bronze fand in der Kunst- und Glockengießerei C. Albert Bierling statt. Bei der Gestaltung der Figur orientierte sich Robert Henze einerseits an antiken Vorbildern, andererseits an bereits an anderen Orten Deutschlands entstandenen Brunnenfiguren. Auf antike Vorbilder weisen der Faltenwurf der Gewänder hin – ein dünnes Untergewand und ein etwas festerer Mantel, die Frisur sowie die Attribute der Figur. Als Vorbildfigur dienten die Göttinnen des Schicksals bzw. Glücks (griechisch: Tyche, römisch Fortuna) mit Füllhorn oder Ähren. Angepasst an die Zeit und die jeweilige Stadt bekamen die Figuren Attribute als Hinweise auf die Quellen des Reichtums: in Crimmitschau vor allem die Textilindustrie und der Maschinenbau. So liegen der Figur ein Zahnrad und ein Webschütze zu Füßen und in den Händen hält sie eine Spindel (rechts) und den Spinnrocken auf einem Stab (links). Sie lehnt „lässig“ an einem Baumstamm, über den ein Tuch geworfen ist. Auf dem Kopf trägt sie eine Mauerkrone, die der Verweis auf das Stadtrecht ist. Dazu trägt sie einen breiten Gürtel, auf dem das Stadtwappen von 1845 zu sehen ist (unser heutiges Wappen gibt es erst seit 1896). So bekamen die Figuren eine sogenannte „Stadtpersonifikation“, die sie für die jeweilige Stadt unverwechselbar machten. Ähnliche Figuren gibt es übrigens auf dem Wettinbrunnen im Bismarckhain oder in der Johanniskirche, wo sie die Kanzel tragen. Entstanden sind sie in der gleichen Epoche, nur unwesentlich später, nämlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zur Finanzierung der Figur trugen übrigens auch die Stadt selbst und zwei ihrer Bürger bei.  

Eingeweiht wurde der Brunnen am 17. November 1876, also vor knapp 150 Jahren. Stadtrat Schmid, der die Weihe vornahm, gab ihr den Namen „Crimmitschavia“, die latinisierte weibliche Form des Stadtnamens. Im Laufe ihrer Existenz änderte sich der Name mehrfach. Zur 500-Jahrfeier des Stadtrechts 1914 hieß sie „Industria“, in der Annalenchronik von 1990 „Crimmitschawa“ und in der Chronik des Heimatvereins von 2013 „Crimmatschowa“.

Die Figur existierte bis 1942, dann fiel sie als „Metallspende des deutschen Volkes“ der Kriegsrüstung zum Opfer. Aufgrund der Namensgebung „Industria“ war man zeitweise von drei Brunnenfiguren in Crimmitschau ausgegangen – die erste fiel dem 1., die zweite dem 2. Weltkrieg zum Opfer. Vom Ende der Figur gibt es aber eine umfangreiche Dokumentation. Der Abbau wurde am 9. Juni 1942 vom Bauunternehmer Arno Parthum vorgenommen, dann war sie noch etwa ein halbes Jahr im Gaswerk eingelagert, wo der Crimmitschauer Fotograf Max Graichen zahlreiche Detailfotos anfertigte. Am 5. Januar 1943 wurde sie von dort abtransportiert – über den weiteren Verbleib oder ihre „Verarbeitung“ ist nichts bekannt.

Ein Vierteljahrhundert blieb der Sockel auf dem Brunnen „verwaist“, bis am 7. März 1967 eine neue Figur darauf Platz fand: die „Spinnerin“ des Crimmitschauer Bildhauers Hans Eickworth (1930 – 1995). Eickworth war der Sohn des KPD-Funktionärs Alfred Eickworth, der 1933/34 in Gablenz eine antfaschistische Widerstandsgruppe leitete.

Der Brunnen war in den 1970-er Jahren „stilbereinigt“ worden, es verschwanden die vier verzierten metallenen Abläufe und die darunter befindlichen Überlaufbecken, auch der Sockel wurde eingekürzt. In den 1980-er Jahren wurde die Brunnenschale noch einmal verändert, wahrscheinlich in Vorbereitung der 575-Jahrfeier des Stadtrechts 1989 wurden vier Reliefs angebracht, die Szenen aus dem Textilarbeiterstreik 1903/04 zeigen. Es sind ebenfalls von Hans Eickworth angefertigte Betongüsse. Sie wurden aber 2007 wieder entfernt und befinden sich heute im Durchgang des neuen Renaissanceportals vom Markt zum Buttenplatz.

Die „Spinnerin“ ist 2,10 m groß und hat keine göttlichen Züge mehr, sondern menschliche. Was auch mit ihrer Entstehungszeit in der DDR zusammenhängt. Im „Arbeiter- und Bauernstaat“ entsprach die einfach gekleidete Frau mit der Spindel in der Hand dem „sozialistischen Menschenbild“ und war das Symbol der Crimmitschauer Textilarbeiterin.

Auf der Homepage des Heimatvereins finden Sie unter „Crimmitschau in Bildern“ eine Fotostrecke zur Brunnenfigur.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Kirche zu Langenreinsdorf - eine kleine Annalenchronik

Erstmalige Erwähnung des Dorfes Langenreinsdorf 1240, als Schenkung an das 1238 gestiftete Marienkloster zu Cronschwitz im Elstertal durch Voigt Heinrich von Greiz.

Seit 1347 besitzt das Kloster das Patronatsrecht über die Kirche.

Auf Teilen einer romanischen. Marienkapelle wurde wahrscheinlich im 15. Jahrhundert das heutige spätgotische Gotteshaus errichtet. 1467 erste Glocke Etwa 1500 Schaffung des spätgotischen Flügelaltars, der später durch das Patronatskloster der Langermehlsdorfer Kirche geschenkt wurde.

1529 Erste evangelische Visitation durch Georg Spalatin

Zerstörung der Fenster und Inneneinrichtung während des 30-jährigen Krieges. (1618- 1648)

1658 Wiederaufbau der Kirche

1680 Bemalung der Kastendecke durch Christoph Römer Werdau im Stil der Spätrenaissance.

1697 Eine neue Orgel von Severinus Horlbeck Zwickau 1713 Kirchengestühl 1719 Errichtung des nebenan gelegenen Pfarrhauses.

1726 Ergänzung des Turmes durch einen neuen Glockenstuhl mit Barockhaube.

1869 Einbau der neuen Orgel von Johann Gotthilf Bärmig Werdau

1903 Umgestaltung des Innenraumes im Stil des Historismus. Ab 2005 Restaurierung des Innenraumes, der Orgel und des Flügelaltars.

1980 Erneuerung / Renovierung der Fassade.

Ab 2005 Restaurierung des Innenraums, der Orgel und des Flügelaltars.

(Die Daten wurden freundlicherweise von Lorenz Franzisti, Langenreinsdorf, zur Verfügung gestellt)

--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Julius Motteler – der „Rote Feldpostmeister“

Motteler

Die Feierstunde am Gymnasium anlässlich seines 185. Geburtstages und die 60. Wiederkehr der Namensgebung des Gymnasiums am 4. Juli 2023 sind Grund, das Leben und Wirken Julius Mottelers wieder einmal in Kurzfassung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen:

Julius Motteler, Sozialdemokrat, Arbeiterführer und Weggenosse Bebels und Liebknechts, ist ein Mann, der für die Entwicklung Deutschlands, mehr aber noch für die Entwicklung Crimmitschaus, Entscheidendes geleistet hat: Bekannt geworden ist er unter dem Deck- und späteren Ehrennamen „Roter Feldpostmeister“ wegen des von ihm organisierten illegalen Vertriebs der Parteizeitung „Der Sozialdemokrat“ in der Zeit des Sozialistengesetzes (1878 bis 1890) von der Schweiz aus. Trotz größter Anstrengungen gelang es den Spitzeln Bismarcks nicht, das ausgeklügelte Verteilungssystem zu zerschlagen. Motteler trug damit entscheidend zum Sturz Bismarcks und zum Aufstieg der Sozialdemokratie zur stärksten Partei Deutschlands Ende des 19. Jahrhunderts bei.

Der am 18. Juni 1838 in Esslingen (Württemberg) geborene Motteler entstammt gutbürgerlichen Verhältnissen und absolvierte standesgemäß eine Kaufmannslehre. Im Jahre 1859 beginnt er eine Tätigkeit als Buchhalter und Disponent in der Crimmitschauer Firma Wolf & Kirsten. Bis 1874 wird er in der aufstrebenden sächsischen Textilstadt leben und arbeiten – an keinem anderen Ort wirkt er länger als hier – und in dieser Zeit den Wandel von liberalen zu sozialdemokratischen Positionen vollziehen. Dazu beigetragen hat zweifelsohne das unmittelbare Erleben der katastrophalen Lage der Crimmitschauer Textilarbeiter, aber ebenso die Zusammenarbeit mit August Bebel und Wilhelm Liebknecht.

In Crimmitschau ist Mottelers aktivste politische Zeit: Er gründet hier 1863 den ersten Arbeiterbildungsverein, am 10. Februar 1869 die erste Fabrikarbeitergewerkschaft Deutschlands, die "Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter beiderlei Geschlechts", und gibt zusammen mit Wilhelm Stolle aus dem heutigen Crimmitschauer Ortsteil Frankenhausen am 1. November 1870 die erste sozialdemokratische Tageszeitung Deutschlands, den „Crimmitschauer Bürger- und Bauernfreund“, heraus. Er ist 1875 in Gotha Mitbegründer der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD/seit 1890 SPD) und vertritt von 1874 bis 1878 den Wahlkreis Zwickau-Werdau-Glauchau-Crimmitschau im Deutschen Reichstag. Motteler legt damit die Grundlagen für den Aufstieg der Crimmitschauer Arbeiterbewegung zu einer führenden Kraft in Deutschland, der im legendären Textilarbeiterstreik 1903/04 gipfelt, in dem 9000 Textilarbeiter mit der Unterstützung aus ganz Deutschland sechs Monate lang für den 10-Stunden-Arbeitstag und zwei Mark mehr Lohn kämpften.

Ein weiteres Verdienst des berühmten „Wahl-Crimmitschauers“ ist seine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der Gleichberechtigung. Motteler setzte sich nämlich – entgegen der damaligen Haltung der Parteispitze – schon 1869 in einer Rede in Glauchau für „die volle soziale und staatsbürgerliche Gleichberechtigung der Frau“ ein. Und im Namen der von ihm gegründeten ersten Fabrikarbeitergewerkschaft Deutschlands heißt es ausdrücklich „…beiderlei Geschlechts“! Clara Zetkin bezeichnete ihn ein Vierteljahrhundert später deshalb als den „Begründer der proletarischen Frauenbewegung in Deutschland“.

Während des Sozialistengesetzes emigrierte Motteler zuerst in die Schweiz und 1888 nach London. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland 1901 wird er Leiter des Verlages und der Druckerei der "Leipziger Volkszeitung" und 1903 bis zu seinem Tod 1907 noch einmal Reichstagsabgeordneter.

Das Gymnasium trägt seit dem 5. Juli 1963 (damals noch Erweiterte Oberschule) seinen Namen und in Crimmitschau gibt es inzwischen zwei Denkmale für Motteler: eins auf dem Pausenhof des Gymnasiums Haus Lindenstraße (seit 2011) und eins an der Ecke Werdauer/Carl-Spengler-Straße (seit 2010). Dort stand bis 2001 das frühere Kontorgebäude der Firma Wolf&Kirsten, Mottelers erster Arbeitsort in Crimmitschau.

Quellen: Jahresbericht des JMG 1997/98 und Festschrift „100 Jahre Abitur in Crimmitschau“ (2017)

Denkmal für Julius Motteler eingeweiht

Am 11. Oktober 2010 wurde in Crimmitschau an der Ecke Werdauer Straße/Carl-Spengler-Straße ein Denkmal eingeweiht. Eine Menge Leute waren dabei, unter ihnen Crimmitschaus Oberbürgermeister, Holm Günther, Claus Favreau und Wolfgang Gärtner, die Vertreter der SPD und der Partei „Die Linke“ im Stadtrat, sowie die Lehrer Katrin Penzel, Matthias Jahn, Tino Borowsky und Lutz Hanzig vom Julius-Motteler-Gymnasium der Stadt. Das Denkmal ist einem Mann gewidmet, der fünfzehn Jahre in unserer Stadt gelebt und gearbeitet hat: Julius Motteler. Nur wenige Meter von der Stelle entfernt stand nämlich Mottelers erste Wirkungsstätte in Crimmitschau, das Kontorgebäude der Vigognespinnerei Wolf&Kirsten. Motteler, 1838 in Esslingen in Baden-Württemberg geboren, kam 1859 nach Crimmitschau. Aus gutbürgerlichen Verhältnissen stammend und mit liberalem Gedankengut ausgestattet wandelte er sich in Crimmitschau zu einem Kämpfer für die Interessen der Arbeiter. Das Erleben der durch die Industrialisierung verschärften katastrophalen Arbeits- und Lebensbedingungen der Ärmsten bewirkte diesen Wandel. In Crimmitschau wurde er zu einem bedeutenden Vertreter der späteren Sozialdemokratie. Hier gründete er u.a. 1869 die erste Fabrikarbeitergewerkschaft Deutschlands, die „Internationale Gewerksgenossenschaft der Manufaktur-, Fabrik- und Handarbeiter beiderlei Geschlechts“, und 1870, zusammen mit dem in Frankenhausen bei Crimmitschau geborenen Wilhelm Stolle, die erste sozialdemokratische Tageszeitung Deutschlands, den „Crimmitschauer Bürger- und Bauernfreund“. Im Jahre 1869 gehörte er auch zu den Delegierten des Gründungskongresses der SDAP (seit 1890 SPD) in Eisenach. Von 1874 bis 1878 war er der Vertreter des Wahlkreises Zwickau-Werdau-Crimmitschau-Glauchau im Deutschen Reichstag. In der Zeit des Sozialistengesetzes Bismarcks (1878 bis 1890) leitete er von der Schweiz aus den illegalen Vertrieb der Parteizeitung „Der Sozialdemokrat“, wofür ihm der Ehrenname „Der Rote Feldpostmeister“ verliehen wurde.

Das Denkmal entstand auf Vorschlag des Heimatvereins Crimmitschau. Das Haus (Foto links), an dessen Standort es erinnert, wurde 2001 wegen Baufälligkeit abgerissen. Da es aufgrund seiner Geschichte unter Denkmalsschutz stand, erwirkte der Heimatverein vom neuen Besitzer des Grundstückes die Auflage, hier ein Denkmal zur Erinnerung an dieses Haus errichten zu dürfen. Lutz Hanzig, auch Mitglied des Heimatvereins, lieferte dazu bereits 1998 einen Entwurf. Dieser hatte – in Anlehnung an seinen Ehrennamen – die Form einer Postmeilensäule. Mehrere Anläufe zur Errichtung des Denkmals scheiterten, vor allem aus finanziellen Gründen. Anfang 2010 war schließlich das benötigte Geld über Spenden zusammengetragen und die Realisierung konnte in Angriff genommen werden.

Das Denkmal besteht aus rotem Mainsandstein, trägt ein Medaillon mit dem Bildnis Mottelers und zwei Tafeln, die auf seine Verdienste und seine erste Wirkungsstätte hinweisen. (Text: Lutz Hanzig)

Wolf+Kirsten

 

Denkmal

Foto rechts: Herr Horn und Herr Gersch, die Geschäftsführer der Firma, die das Denkmal angefertigt hat, enthüllen den Obelisk. Die Veranstaltung wurde vom Crimmitschauer Stadtfernsehen „City-TV“ aufgezeichnet.

------------------------------------------------------------------------------------------

Von alten Klöstern und noch älteren Kirchen

Ein Beitrag zu zwei Jubiläen in der Region im nächsten Jahr

Von Rudolf Neumerkel und Lutz Hanzig

Im Jahr 2022 begehen wir in Crimmitschau nicht nur den 800. Jahrestag der Ersterwähnung der Laurentiuskirche, sondern auch den 800. Jahrestag der Gründung eines Klosters, das die Geschichte unserer Nachbargemeinde Neukirchen, aber auch die Crimmitschauer Geschichte geprägt hat. 

Es handelt sich um den Vorgängerbau des zwar schon längst nicht mehr existierenden, aber immer noch bekannten Klosters Karthause, des Augustinerklosters St. Martin. Gestiftet wurde dieses Kloster von Heinrich von Crimmitschau, der erstmals 1214 in einer Urkunde als Landrichter des Pleißenlandes erwähnt wird und sich mit der Stiftung von der Teilnahme an einem Kreuzzug „freikaufte“. Die Klosteranlage befand sich im heutigen Neukirchen an der Ecke Werdauer/Naundorfer Straße und erstreckte sich auf einer Fläche von etwa 160x100 m bis zur Pleiße. Schon vor der Gründung des Klosters befand sich an dieser Stelle eine Kapelle, die den  Namen des Heiligen Martin trug. Sie wurde danach als Klosterkirche genutzt und ist damit das nachweislich älteste Gotteshaus im Pleißental!

Aufgrund seines geringen Landbesitzes und der daraus resultierenden eher „mageren“ Einkünfte kann sich das Kloster nur mit Hilfe mehrerer Ablässe am Leben erhalten. Der Hussiteneinfall 1430 und der Sächsische Bruderkrieg 1446 bis 1451 ruinierten es endgültig.

Am 1. Dezember 1478 genehmigt Papst Sixtus IV. auf Bitten der Kurfürstin Margarethe und des Inhabers der Herrschaft Crimmitschau, Hans Federangel, die Umwandlung des Augustinerklosters in eine Niederlassung des Karthäuserordens.

Das alte Augustinerkloster wird daraufhin für die Bedürfnisse der Karthäuser umgebaut.

Das Kloster erhält den Namen „Haus der Verklärung Jesu Christi im Martinstal bei Crimmitschau“. Es gehört zur Provinz „Alemanniae inferioris“ und untersteht, wie alle anderen Karthausen, dem Mutterkloster  Grande Carthreuse.

Das neue Kloster wird im Oktober 1479 mit Mönchen aus dem Kloster St. Salvator in Erfurt besetzt. Es waren dies Jodokus Christen als Prior und vier weitere Mönche. Die Entsendung aus dem Erfurter Kloster gefährdete den Bestand dieser Karthause.

Bereits nach 46 Jahren kommt es infolge der Reformation zur Apostasie (Abfall vom Glauben) von sechs Mönchen. Die staatlich verordnete Verwaltung folgt 1526, und 1531 wird das Kloster aufgelöst. Einige der Mönche werden evangelische Pfarrer, so wie Simon Burkhard, der erste evangelische Pfarrer in Crimmitschau. Er übernahm 1529 die Pfarrstelle der Laurentiuskirche.

Das Klostergut wird zuerst durch einen vom Sächsischen Kurfürsten bestellten Verwalter geführt. 1545 wird ein Teil der Anlage durch Fürsprachen Martin Luthers beim Kurfürsten an seinen Schwager Hans von Bora verkauft. Er eröffnet eine lange Reihe adliger und bürgerlicher Besitzer des nunmehrigen Rittergutes Carthause. Letzter Rittergutsbesitzer war Alfred Wolf, der 1945, also genau 400 Jahre später, im Zuge der Bodenreform enteignet wird.

Es gibt kein Gebäude der ursprünglichen Klosteranlage mehr. Zahlreiche Gebäude wurden unmittelbar nach der Auflösung des Klosters abgetragen. Dazu gehört auch die Kirche. Die heute das Ortsbild Neukirchen prägende St. Martinskirche wird erst 1869/70 erbaut. Sie war der  Nachfolgebau der 1488 bis 1496 als „Ersatzneubau“ für die an das Kloster „verlorengegangene“ Kapelle errichteten Pfarrkirche. Belege für den Abriss der Klostergebäude finden sich im Hospitalrechnungsbuch von Crimmitschau. Dort werden Fuhrleute für das Fahren von Steinen aus der Karthause benannt und entlohnt.

Das letzte verbliebene Gebäude der Klosteranlage war das als Herrenhaus des Rittergutes genutzte Kapitelhaus, das aber 1946 (wahrscheinlich erst 1947, nämlich im Zuge der Umsetzung des Befehls 209 der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland) abgerissen wurde. Wie übrigens auch das Schloss (Herrenhaus) des Rittergutes Frankenhausen, des ehemaligen Zisterzienser-Nonnenklosters.

Vom Rittergut steht allerdings heute noch ein Gebäude, die ehemalige Klostermühle. Sie brannte zwar 1913 bis auf die Grundmauern ab, wurde aber 1922 an gleicher Stelle wieder aufgebaut. Heute befindet sie sich in Privatbesitz und wird als Wohnhaus genutzt.

An das Kloster erinnert heute nur noch Weniges: die Carthäuser Straße in Crimmitschau, der Carthäuser Weg in Neukirchen (der etwa den östlichen Abschluss der ehemaligen Klosteranlage markiert), einige Reste der Klostermauer und ein Band der ursprünglich 298 Bände umfassenden Klosterbibliothek, der sich heute in der Ratsschulbibliothek Zwickau befindet. Den älteren Neukirchnern ist auch noch die Gaststätte „Carthause“ bekannt, die zwar ebenfalls schon lange nicht mehr existiert, das repräsentative Fachwerkhaus steht aber noch – etwa in Höhe der ehemaligen Klosteranlage auf der anderen Seite der Werdauer Straße. Es gehörte aber nie zum Kloster, wurde auch erst lange nach dessen Ende errichtet und sicher in Erinnerung an das Kloster so benannt. Und die sich hartnäckig haltende Legende vom unterirdischen Gang zwischen dem Karthäuserkloster Neukirchen und dem Zisterziensernonnenkloster Frankenhausen ist sicher das Ergebnis der blühenden Fantasie von Leuten, denen das Klosterleben fremd war.

Anmerkung: Der Befehl Nr. 209 des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), Marschall der Sowjetunion Wassili Danilowitsch Sokolowski, vom 9. September 1947 galt der Schaffung von Neubauernhöfen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ). Zu diesem Zweck ordnete der Befehl die Gewinnung des erforderlichen Baumaterials aus den „Baulichkeiten ehemaliger Gutsbesitzerhöfe“ an. In der Praxis bedeutete die Ausführung des Befehls die Zerstörung und Beseitigung zahlreicher Herrenhäuser und Gutshöfe, deren Besitzer durch die Bodenreform in der SBZ ab 1945 enteignet worden waren. (Wikipedia)